Als Bauherrin habe ich schnell gelernt: Planung und Budget sind nur die halbe Miete — ohne die richtigen Versicherungen kann ein einzelner Schaden das gesamte Projekt in existenzielle Schieflage bringen. In diesem Artikel erkläre ich, welche Policen in der Rohbau‑ und Ausbauphase wirklich schützen, worauf Sie bei Deckung, Laufzeit und Ausschlüssen achten sollten und wie Sie Risiken praktisch minimieren können.

Was meine ich mit "existenzielle Risiken"?

Für mich sind das Schäden, die das Bauvorhaben komplett stoppt, zusätzliche Kosten in sechs‑ oder siebenstelliger Höhe verursachen oder Haftungsansprüche nach sich ziehen, die Ihr privates Vermögen gefährden. Beispiele: Totalschaden durch Brand, Vandalismus nach unzureichender Sicherung, schwere Personenschäden auf der Baustelle oder Rechtstreitigkeiten wegen mangelhafter Vergabe.

Rohbau‑ versus Ausbauphase — warum der Versicherungsschutz passt

Die Risiken ändern sich mit dem Baufortschritt. Im Rohbau dominieren Gefahren durch Witterung, Brand, Vandalismus und statische Fehler. Im Ausbau kommen Risiken durch eingebaute, hochwertige Materialien (Sanitär, Heizung, Elektrik) und Fremdfirmen hinzu, die Fehler machen können. Entsprechend sollte der Versicherungsschutz zeitlich und inhaltlich angepasst werden — nicht zu früh kündigen, aber auch nicht unnötig lange zahlen.

Die wichtigsten Versicherungen für Bauherren

Hier sind die Policen, die ich persönlich als unverzichtbar erachte:

  • Bauleistungsversicherung (Bauwesenversicherung) – Schutz für Bauleistungen gegen unvorhergesehene Schäden wie Feuer, Sturm, Leitungswasser, Vandalismus, Bauschäden durch Fremdeinwirkung und manchmal auch Materialfehler. Diese Police deckt meist sowohl fremde Beschädigungen als auch eigene Ausführungsfehler, sofern nicht grob fahrlässig.
  • Bauherrenhaftpflichtversicherung – Deckt Haftpflichtansprüche Dritter (z. B. Verletzte Passanten, beschädigtes Nachbargrundstück) ab. Für mich Pflicht: Personen- und Sachschadendeckung sowie Bergungskosten und Mietsachschaden.
  • Feuerversicherung / Feuerrohbauversicherung – Oft als Bestandteil der Bauleistungsversicherung angeboten, manche Anbieter verlangen eine gesonderte Feuerdeckung. Brand kann den Rohbau komplett vernichten — dafür muss die Versicherungssumme an den Wiederaufbau angepasst sein.
  • Hochbau-/Besserungsversicherung für Baustoffe und eingebautes Material – Schützt hochpreisige eingebauten Komponenten (z. B. Fenster, Heizung) während der Montagephase. Insbesondere im Ausbau wichtig.
  • Elektronik‑/Maschinenversicherung – Für teure Baumaschinen, Kran oder elektronische Steuerungen. Wenn Sie Geräte auf eigene Rechnung einsetzen, lohnt sich dieser Schutz.
  • Bauhelfer‑/Unfallversicherung – Deckt Unfälle unbezahlt mithelfender Familienmitglieder oder Bekannter. Ich empfehle sie, wenn private Helfer auf der Baustelle arbeiten.
  • Rechtsschutzversicherung Bau (Bauherrenrechtsschutz) – Sehr wertvoll bei Streit mit Baufirmen, Nachbarn oder Behörden. Deckt anwaltliche Kosten, Gerichts‑ und Gutachterkosten bei versicherten Streitfällen.
  • Weitere sinnvolle Absicherungen

    Nicht für jeden zwingend, aber in vielen Fällen ratsam:

  • Mietausfallversicherung – Relevant, wenn Sie während der Bauzeit bereits Mietverträge haben, die durch Schäden betroffen werden könnten.
  • Gewässerschaden‑ und Umwelthaftpflicht – Bei möglichen Bodenverunreinigungen oder gefährlichen Stoffen auf der Baustelle.
  • Cyberversicherung – Wenn Bauplanungen digital vertraulich aufbewahrt werden und Dritte Zugriff oder Sabotage drohen (z. B. bei vernetzten Smart‑Home‑Systemen schon während der Planung).
  • Praktische Empfehlungen zur Wahl der Deckungssummen

    Ich wähle Deckungen nicht nach dem günstigsten Beitrag, sondern nach realistischem Schadensszenario:

  • Versicherungssumme = voraussichtliche Neubaukosten inkl. Ausbau. Oft wird empfohlen, 10–20 % Sicherheitspuffer einzurechnen.
  • Haftpflicht: Mindestens 5 Mio. EUR pauschal für Personen- und Sachschäden; bei größeren Projekten höhere Summen prüfen.
  • Selbstbehalt: Niedriger Selbstbehalt ist beruhigend, erhöht aber die Prämie. Ich bevorzuge moderate Selbstbeteiligungen, sofern die Prämie nicht überproportional steigt.
  • Worauf Sie bei Policenbedingungen besonders achten sollten

    Die Ausschlüsse und Meldepflichten entscheiden oft, ob ein Schaden regulierbar ist:

  • Sachverständigenklauseln – Manche Verträge verlangen sofortige Gutachterbenennung; sonst droht Leistungsfreiheit.
  • Meldefristen – Schäden sofort, spätestens innerhalb von 24–48 Stunden melden.
  • Sicherheitsauflagen – Viele Versicherer verlangen z. B. Baustellensicherung (Bauzaun, Beleuchtung), frostfreie Lagerung von Materialien oder regelmäßige Protokolle. Erfüllung dokumentieren.
  • Witterungs‑/Unwetterdefinitionen – Prüfen, welche Windstärke oder Niederschlagsmenge als versichert gilt.
  • Grobe Fahrlässigkeit – Manche Anbieter leisten eingeschränkt bei grober Fahrlässigkeit. Ich empfehle, dies schriftlich zu klären oder einen Tarif ohne Kürzung zu wählen.
  • Timing: Wann sollten Policen starten und enden?

    Meine Faustregel:

  • Start: Vor Beginn der ersten Baumaßnahme (Erdaushub, ersten Materiallieferung). Ein Dauerbrenner sind Schäden kurz nach Lieferungen — ohne Versicherung sitzen Sie oft auf den Kosten.
  • Ende: Nicht vor endgültiger Abnahme bzw. nach Übergabe an den Käufer/Nutzer. Bei Mehrfamilienhäusern kann das stufenweise sein — klären, ob die Police bis zur Bezugsfertigkeit gilt.
  • Typische Fallstricke, die ich erlebt habe

    Aus meinen Projekten hier einige Warnungen:

  • Unzureichende Dokumentation: Bei Bauleistungsansprüchen fehlen oft Fotos und Lieferscheine. Ich dokumentiere jede Bauphase fotografisch und digital.
  • Subunternehmer ohne eigene Haftpflicht: Wenn Subunternehmer nicht versichert sind, fällt die Regulierung häufig auf den Bauherrn zurück.
  • Wertsteigerung durch Nachträge: Wenn der Bauumfang während der Arbeiten signifikant steigt, müssen Sie die Versicherungssumme anpassen — sonst Unterversicherung.
  • Kurze Vergleichstabelle: Was deckt welche Police?

    RisikoBauleistungsversicherungBauherrenhaftpflichtRechtsschutz
    Brand/ExplosionJaNur bei Haftpflichtfällen (z. B. Brand verursacht Personenschaden)Nein
    VandalismusJa (meist)NeinNein
    Personenschaden DritterNeinJaJa, bei Streitfall
    Baufehler durch HandwerkerJa (abhängig)Nur bei Schadensersatzanspruch DritterJa

    Wie ich Versicherer vergleiche und auswähle

    Ich empfehle einen zweistufigen Prozess:

  • Erst eine Marktsondierung per Ausschreibung über mehrere Anbieter (Makler, Direktversicherer wie Allianz, AXA, HDI) – vergleichen Sie nicht nur Preis, sondern auch Bedingungen und Schadenregulierungspraxis.
  • Dann konkrete Szenarien testen: Lassen Sie sich vom Versicherer schriftlich bestätigen, wie er bei bestimmten Schadensfällen (z. B. Vandalismus bei offenem Rohbau, Totalschaden durch Blitzschlag) leistet.
  • Was Sie jetzt sofort tun können

    Meine praktische Checkliste in drei Schritten:

  • Dokumentation anlegen: Lageplan, Bauzeitenplan, Lieferlisten, Fotos.
  • Versicherungsbedarf ermitteln: Kalkulieren Sie Baukosten, Fremdpersoneneinsatz und mögliche Haftungsszenarien.
  • Angebote einholen und Bedingungen prüfen: Mindestdeckung, Ausschlüsse, Meldefristen, Sicherheitsauflagen.
  • Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen ein Muster‑Fragepaket zur Anbieteranfrage erstellen oder typische Klauseln markieren, die Sie im Kleingedruckten suchen sollten. So behalten Sie die Kontrolle — und schützen Ihr Projekt vor finanziellen Tragödien.